Beruf und Arbeit

Arbeit ist ein zentrales Element unserer Gesellschaft – und es wird immer mehr zu einer Religion. Wenn sich zwei Menschen kennenlernen, dann ist die Frage nach dem Beruf meist schon die zweite Frage nach der des Namens. „Beruf“ kommt von „Berufung“, und da hat es schon etwas „Göttliches“. Wer keinen Beruf hat, keine Arbeit hat ist im Umkehrschluss eine Niete, eine Last für die Gesellschaft oder von Gott verstossen. Wir müssen darüber nachdenken, ob das wirklich der tiefere Sinn des Mensch-Seins sein kann, dass man (viel) Arbeit hat.

Ich kann mir nicht vorstellen, als Resüme auf meinem Sterbebett zu sagen: „Da hatte ich einen tollen Arbeitstag – da habe ich 18h gearbeitet“. Bis vor ein paar Jahren nützen wir die Rationalisierung der Arbeit dazu, um die Arbeitszeit zugunsten der Freizeit zu reduzieren. Wir wissen, dass genau das Gegenteil eingetroffen ist: Wir arbeiten uns häufig ins Dilemma, schlimme Folgen wie „Karoshi“ (plötzlicher Tod durch Überarbeitung), Burnout und andere Probleme erwarten uns.

Oft ist es nicht die Arbeitsmenge, die uns kaputtmacht, sondern deren Sinn. Wir arbeiten in einer Dienstleistungsgesellschaft, wo es keine sichtbaren „Produkte“ mehr gibt. Der Schreiner stellt ein Möbelstück für einen Kunden her – das ergibt Sinn. Wo ergibt sich der Sinn, wenn ich Akten von A nach B verarbeite, wenn ich Statistiken führe usw? Genau das meine ich.

Die Aufgabe eines Arztes ist es, einen Menschen gesund zu machen oder mitzuhelfen, dass er gesund bleibt. Die Aufgabe eines Bankiers ist es, das Vermögen und dessen Substanz zu bewahren, um es für Projekte oder die nächste Generation bereitzuhalten. Genauso wie es falsch wäre, die Patienten absichtlich krank zu machen, um sie dann mit teuren Therapien zu heilen, ist es, das Vermögen in sinnlose komplizierte Anlagen zu investieren.

Mit Liebe zur Arbeit versuche ich jeden Tag, genau den Sinn meiner Tätigkeit zu befriedigen, und mich meiner Verantwortung zu stellen. Würde das der ganze Sektor, die Notenbanken und die Politik tun, so gäbe es keine Finanzkrise, Tech-Bubble usw.

Ich wünsche mir eine Welt, wo die Menschen Ihrem Leben, Ihrer Tätigkeit mehr Sinn einhauchen, sich der Verantwortung stellen, und Ihre Handlungen mit Herz ausüben. Ich kann die Welt nicht verändern, nur mich und die paar Quadratmeter um mich herum. Darum ist es nicht sinnlos, genau bei sich selber anzufangen und zu versuchen, mit gutem Beispiel voranzugehen!