Die Kunst des Reisens

Wenn Menschen eine Reise machen, dann empfinden sie oft das Gefühl der Zeitverschwendung. Sie sind gestresst und wollen schon da sein. Auch die Reisezeit raubt uns Lebenszeit, und so ist es unklug, wenn wir die Zeit nicht „nutzen“. Ich meine damit nicht, dass man in dieser Zeit etwas produktives machen soll, sondern dass man einfach auch die Reise als solches geniessen soll, und das Stresslevel möglichst klein halten sollte.

Stress
Stress ist ein kleiner Helfer aus der Urzeit, der uns dabei half, möglichst die lebensbedrohlichen Angreifer abzuwehren und unser Überleben zu sichern. Heute ist Stress – bzw. dessen Auswirkungen – zu einem Dauerthema geworden. Wir müssen oder vielmehr wir möchten immer mehr Aktivitäten unter einen Hut bringen. Das bewirkt, dass man immer mehr „reisen“ muss, gedanklich und körperlich, um alle Ziele zu erreichen. Das erzeugt Stress, denn wir merken, wie der Berg immer schwerer zu bewältigen ist. Wie bekommen wir das unter einen Hut? In dem wir noch schneller Reisen, und indem wir uns beim Reisen – wo wir uns erholen könnten – noch mit mehr Dingen beschäftigen. Schnell noch eine E-Mail schreiben, Facebook checken, das Wetter studieren, schauen wie die Auktion läuft.. wir müllen unsere letze freie Minute zu, und kommen so in einen permanenten Stress, wo wir uns kaum retten können.

Ausweg – Breathe!
Ja, wir haben einen Ausweg und haben den „Exit-Knopf“ in der Hand. Wir können selber entscheiden, ob wir uns mit Sachen beschäftigen, die uns nur die Zeit rauben, oder ob wir etwas sinnvolles machen wollen. Erster Schritt: Augen zu und Atmen. Wir werden uns unseres Körpers bewusst und merken, dass wir „da“ sind. Geistig sind wir immer in der Luft, mit dem Kopf voller Gedanken. Wenn wir uns selber spüren, nehmen wir wieder Kontakt mit der Realität auf. Wir schliessen die Augen und spüren, dass wir ein Teil des Lehens sind, das gerade jetzt stattfindet.

Lachen
Nun setzen wir hin, und fangen an zu lachen. Wie soll das gehen? Das Leben gibt nicht viel zum Lachen her! Ein nerviger Chef, ein enger Bus, tausend unerledigte Aufgaben, die Müdigkeit vom Vortag, und, und, und. Wenn wir loslassen wollen, dann müssen wir Lachen. Wir können es mit einem Mona-Lisa-Lachen machen, und so der Umwelt signalisieren, dass wir die Welt ein Stück besser und schöner machen wollen. Oder wir können ein schönes Thema mit einem Freund anpacken, und darüber lachen. Wir haben ein grosses Potential, unser Gehirn, wo wir im Kopfkino Dinge ablaufen lassen können, die uns glücklich machen.

Und dann?
So, jetzt sind wir aufgewärmt um etwas zu tun! Nun können wir uns überlegen, was wirklich wichtig ist – und dann dies zu tun. Wohl sind es keine schlechte Gedanken, Facebook oder die Sportresultate, sondern einen Anruf an einen Freund, ein paar Zeilen an die Nächsten. So beginnen wir, an den wirklich wichtigen Themen zu arbeiten. Vielleicht ist es aber nur ein Mittagsschlaf, der uns glücklich machen kann. Wichtig ist, dass ich mir bewusst bin, was mich glücklich macht!

Locker werden
So, jetzt müssen wir den Stress loslassen, indem wir locker werden. Und jetzt passiert wunderbares: wir beginnen zu spüren und vergeuden keine Energie mehr. Wir haben uns von unseren Zwängen befreit und können locker agieren. Mit locker werden meine ich, dass wir nur noch auf Sachen konzentrieren, die wir wirklich tun müssen.

Das Eisenhower-Prinzip
Eisenhower war ein amerikanischer General im zweiten Weltkrieg. Er hat das Eisenhower-Prinzip erfunden, das in Literatur oft beschrieben wird. Es besteht aus vier Feldern, wobei oben links das Feld A ist: dringende und wichtig. Rechts daneben ist das Feld B: nicht dringend, aber wichtig. Links unten ist das Feld C: Dringend, aber unwichtig, rechts daneben ist das Feld D: Nicht wichtig und nicht dringend. Der Rat ist einfach. Teile Deine Ziele, Aufgaben und Tätigkeiten in diese vier Felder ein, und fange oben links nach unten rechts mit der Abarbeitung an. So kümmern wir uns zuerst um die dringeneden und wichtigen Sachen, bis wir am Schluss die unwichtigen und nicht dringenden Sachen erledigen.

Eisenhower-Prinzip dynamisch
Die Aufgaben kommen meist von wichtig und nicht dringend, zum Quadranten wichtig und dringend. Der Unterschied ist, dass ich bei „dringend“ unter Zugzwang komme, keine Zeit habe und nicht angemessen entscheiden und reagieren kann. Die smarten Leute kümmern sich zwar um A, versuchen jedoch möglichst viel Zeit mit B zu verbringen, und können damit die Qualität und die Zufriedenheit steigern. In B gehört zum Beispiel die Frage, welchen Job ich bei welchem Arbeitgeber machen möchte, wie ich mich entwickeln will und dass ich versuche, achtsam zu sein. So werden immer weniger B’s zu A’s und man arbeitet ruhiger und gelassener. Ist es denn wichtig, immer das Handy dabei zu haben um zu entscheiden und up-to-date zu sein? Nicht in jedem Fall!

Reduce to the max!
Wir leben in einer Welt mit immer mehr Möglichkeiten und können uns immer mehr leisten. Wir leben so in der Illusion, dass wir glücklicher werden, denn wir können ja alles tun! Leider ist genau das Gegenteil der Fall: Die Menschen werden bei zu viel Auswahl unglücklicher, weil sie überfordert sind. Reduce to the max ist der Aufruf, weniger zu tun – und das dafür mit einer grösseren Qualität. Es bedeutet Verzichten, Nein sagen, weniger tun.

Gegner von Reduce to the max: Werbung
Werbung ist ein grosses Business und übt einen grossen Einfluss auf die Menschen aus. Das interessante daran ist, dass wir ein ganz anderes Gefühl haben. Wer von uns denkt denn, dass er von einer Werbung manipuliert wird oder werden kann? Fast alle würden sich als „immun“ dagegen betrachten. Doch es ist nicht so – beiweitem nicht! Die Werbebranche ist ein weit entwickelter Zweig der Kommunikation, der sich mit den manipulativen Elementen sehr gut auskennt. Niemand von uns wird jemals zugeben, von einer Werbung manipuliert zu werden – und das ist der grosse Vorteil der Werbung. Sie bewegen sich in einer Zone, wo wir das Gefühl haben, dass sie nicht gefährlich sind. Und doch: Sie beeinflussen uns, leider in einer negativen Manier. Sie arbeiten in drei Schritten. Zuerst finden sie heraus, dass wir nicht perfekt sind, so wie wir sind. In einem zweiten Schritt gaukeln sie uns eine Lösung vor, bevor sie uns in einem dritten Schritt das Produkt verkaufen, dass wir scheinbar dafür brauchen. Grenzenlose Freiheit durch Zigaretten, eine intakte Familie für eine teure Uhr und eine Nachtcreme, bei der wir nicht mehr schlafen müssen. Ein Witz.

Der Perfekte Mensch
Es muss ihn geben, den perfekten Menschen! Gut aussehend, forever young, ohne Probleme meistert er sein Leben und kriegt jedes Problem in den Griff. Ein Player, dem nur selten etwas misslingt. Und weil uns das Bild anspricht, unternehmen wir alles, damit wir es erreichen können. Die Mittel sind denkbar einfach! Eine Jacke für CHF 300, sieben Haargels, die neusten Schuhe, ein Handy der neusten Generation, viele Likes in Facebook, Instagram. Einfach ein Mensch auf der Überholspur. Das Rezept ist so einfach: Wer konsumiert, ist. Wer nicht konsumiert, ist ein Looser. Und so setzen wir einen guten Kreislauf in Gang: Ich habe eine teuere Jacke, bin aber immer noch nicht beliebt. Also muss ich eine noch teurere Jacke kaufen, noch einen achten Haargel kaufen, noch eine weitere Reise unternehmen, noch teurere Autos fahren, noch exklusiver leben, noch, noch, noch… Und am Schluss der Reise kommen wir in eine Welt der Kredite und Leasings, währenddem das innere Manko nicht kleiner zu werden scheint.

Du bist schon perfekt
Ich habe eine Nachricht, die Dir gefallen wird: Du bist schon perfekt, wenn Du so bist, wie Du bist. Du hast einige Stärken und viele Schwächen (so wie ich), Du hast einiges begriffen und hast vom meisten keine Ahnung. Du siehst gut aus. Denn Du bist Du! Nun musst Du zwei Dinge machen, um weiterzukommen: Erstens akzeptieren, dass Du so bist, wie Du bist – und das möglichst ohne Verzerrungen. Und zweitens akzeptieren, dass Du vieles nicht bist. Du bist das meiste nicht! Weder bist Du Roger Federer, noch Michel Platini, weder Jennifer Lopez noch Bruce Lee. Du bist einfach ein normaler Food-to-shit-converter, hast weder allzu grosse Auszeichnungen und Nobelpreise, bist aber auch nicht besonders schlecht.

Jetzt beginnt die Arbeit!
So, wir haben herausgefunden, dass wir zwar einzigartig, aber nicht auf allen Gebieten eine Koryphäe sind. Was müssen wir nun tun? Wir müssen begreifen, dass die anderen es auch nicht sind! Wissen wir, ob Roger Federer einen Kuchen backen kann? Ob er Schach spielt und ob er einen grünen Daumen hat? Wir wissen es nicht – können aber annehmen, dass er in diesen Disziplinen ziemlich durchschnittlich ist. Wie können wir das wissen? Ganz einfach: Der Tag hat 24 Stunden, inkl. die Nacht. Wenn Federer acht davon schläft, weitere acht im Training verbringt, so bleiben ihm acht für Familie, Transfers und sonstiges – und es wäre unmöglich, auch auf allen anderen Terrains ein Profi zu sein. Es entspannt!

Die Kunst des Werdens
Wenn wir also wissen, was und wer wir sind, dann können wir mit „Werden“ beginnen. Wir definieren, an welchen Themen wir arbeiten möchten, und dann konzentrieren wir uns darauf. Wir packen die Sachen möglichst locker an, und kommen so weiter. Wir versuchen, die Kraft der (Nächsten-)Liebe aus und begreifen, dass physische Freunde mehr wert sind als Facebook-Freunde, die einen liken. Und dann begreifen wir, dass wir für’s Glücklich-werden kein teueres Auto, teure Kleider oder Haargels brauchen, sondern an uns selber arbeiten müssen, um weiterzukommen. Wir brauchen keine teuren Judogis, um schönes Judo zu machen. Ein normaler Discount-Anzug reicht völlig! Und doch investieren viele Judokas viel Geld in Anzüge, Gürtel und Äusseres, anstelle sich um die Technik und den Kern des Judos zu kümmern.

Die beiden Judoprinzipien
Beim Erfinden des Judos vor über 100 Jahren hat Jigoro Kano zwei Grundprinzipien definiert. 1. Kein Fortschritt ohne Partner und 2. Den optimalen Einsatz der Kraft, das heisst mit möglichst wenig Kraft eine möglichst gute Wirkung erzielen. Wenn man diese Prinzipien auf der Matte anwendet, dann ergibt das durchaus einen Sinn: Wenn ich zu meinem Partner Sorge trage, dann wird er dies in der Tendenz auch tun. Und so kommen wir gemeinsam weiter. Beim optimalen Einsatz der Kraft geht es darum, dass wir nicht die schöne Technik durch rohe Kraft ersetzen. Das wir den richtigen Moment abwarten und am liebsten den Gegner dazu bringen, sich mit dem eigenen Schwung zu werfen.

Ausserhalb des Dojos
Überträgt man diese Prinzipien auf den Mensch als ganzes, dann ergibt das erstaunlicherweise auch ausserhalb der Matten einen Sinn: Beim „Kein Fortschritt ohne Partner“ ist zum Beispiel Nächstenliebe gemeint, die richtige Einstellung, den Menschen zu helfen und auf sie zuzugehen, keinen Hass zu säen und Streit zu führen. Wir kommen ohne Menschen nicht weiter, und so ist es unumgänglich dass wir sie schätzen und einbeziehen. Das Optimumsprinzip soll uns lehren, dass wir möglichst locker durch’s Leben gehen, nur im richtigen Moment eine Action machen und bei Konflikten versucht, sie entweder durch Nächstenliebe zu überwinden oder durch eine gezielte Aktion versuchen, den Gegner dazuzubringen, sich selber zu werfen oder ihn ins Leere laufen zu lassen. Das Geschmeidige besiegt das Harte, das geduldige besiegt das hastige. Es gibt noch viel zu tun!

Wu wei – annehmen, es geschehen lassen

Wir bewegen uns in einer kontrollierten Welt und haben das Gefühl, dass wir alles kontrollieren können. Es scheint uns wie ein Wettbewerb; entweder ich kontrolliere es, oder es kontrolliert mich.

Viele Menschen leben ziemlich unbewusst in den Tag hinein, lassen sich treiben. Ohne mit der Wimper zu zucken werden sie alt, und sie wissen gar nicht, was geschehen ist. Andere machen das Gegenteil: Sie versuchen zu steuern und zu kontrollieren, zu beherrschen, zu meistern. Sie leben ein Leben nach dem Motto, wer nicht kontrolliert, wird wie ein Käfer zerteten. Entweder ich kontrolliere, oder ich verliere.

Beide Arten haben Vorteile, denn der sich-treiben-lassende hat wenige Sorgen, der Kontrollierende kann das Spiel bestimmen. Vielleicht gibt es eine intelligente Art, wie man damit umgehen kann.

Reflektiertheit – Aufmerksamkeit – Achtsamkeit
Was ist, wenn ich aufmerksam die Dinge geschehen lasse, mich nicht einmische, wenn es nicht nötig ist, nicht die Kontrolle übernehme? Als reflektierter Mensch habe ich Vertrauen, dass ich nicht überall Einfluss nehmen muss. Wenn ich aufmerksam meine Umgebung beobachte, meine eigenen Möglichkeiten und Ressourcen kenne, und mich am Schluss frage: Braucht es meinen Einfluss? So kann ich vieles erreichen. Ich soll achtsam sein. Mit mir selbst, mit meinem Nächsten, mit der Welt um mich herum. Dann weiss ich, wann ich mich einsetzen muss, und wann es mich nicht „braucht“.

Es gibt keine guten oder schlechten Nachrichten – nur Nachrichten
Wir leben in einer Welt, wo wir alles und jedes ständig bewerten wollen. Natürlich ist es wichtig, es zu tun. Wenn wir einen Pilz sehen, und uns fragen, ob wir ihn essen sollten, so bewerten und entscheiden wir. Wenn etwas um uns herum geschieht, dann bewerten wir immer und andauernd. Wir wägen ab, machen uns ein Bild, vervollständigen das Bild mit unserer Fantasie und bewerten. Was, wenn wir Nachrichten entgegennehmen, und nicht einfach bewerten? Vielleicht müssen wir uns zuerst überlegen, was wir bewerten, wie wir bewerten. Vielleicht müssen wir einsehen, dass unsere Bewertung nicht allgemein gültig ist und verzerrt ist. Vielleicht haben Nachrichten keine emotionale Komponente, sondern wollen nur informieren. Hier liegt das Geheimnis! Als reflektierte Menschen nehmen wir Sachen entgegen, und bewerten sie entweder gar nicht, sondern erst später. Vielleicht suchen wir lieber nach Lösungen, statt nach Fragen. Vielleicht lassen wir den Verstand in Ruhe entscheiden.

Schnelle Entscheidungen
Wir leben in einer Welt, wo wir immer mehr und auf mehreren Kanälen erreichbar sind. Wir können immer angerufen werden, wenn wir eine Meinung geben müssen, einen Befehl oder Wunsch entgegennehmen sollen. Wir müssen immerzu entscheiden. Unsere Entscheide werden schneller, denn wir sind im Multitasking-Modus. Die Menge der Entscheidungen steigt an – doch werden sie wirklich auch qualitativ besser? Wie oft sagen wir: Das muss ich mir überlegen, ich rufe Dich zurück? Wie oft machen wir eine Denkpause, wägen ab? Wie oft sind wir reflektiert? Ich habe das Gefühl: In der Tendenz weniger. Die Flut wird grösser und breiter, und wir haben das Gefühl, wir können dem Herr werden, in dem auch wir die Kadenz erhöhen. Schneller entscheiden, mehr entscheiden. Weniger Schlafen und mehr Gas geben. Jedoch nimmt die Qualität ab. Die Qualität der Beziehungen, die Qualität der Entscheidungen, und leider insgesammt die Qualität des Lebens. Wir werden gezwungen, uns schneller auf etwas einzustellen, und mehr „Gas“ zu geben. Wohin? Wollen wir denn schneller ins Grab?

Das Leben als One-Way-Ticket
Wenn wir unser Leben als One-Way-Ticket anschauen, dann ist Zeitverschwendung die grösste Sünde. So sollten wir achtsam sein, und unsere Zeit gut einteilen. Wir sollten an der Qualität arbeiten, nicht an der Menge. Wir sollten vielleicht nicht so viele Facebook-Freunde haben, aber ein paar richtige Freunde. Wir sollten weniger Dinge tun, dafür diese besser.

Das Leben als Optimierungsprozess
Wir machen Dinge in unserem Leben, und wiederholen sie immer wieder. Wir gehen ins Training, zur Arbeit, sind mit Freunden unterwegs. Wie oft sind wir aber im „Autopilot“-Modus unterwegs? Wie oft haben wir uns Mühe gegeben, etwas noch besser zu tun? Wie oft haben wir Leidenschaft in unser Tun gebracht, oder versucht, unsere Leidenschaft weiterzugeben? Wir sollten versuchen, unser Leben zu optimieren, immer wieder zu lernen und zu verbessern.

Gelassenheit
Verbissenheit, Zielblindheit und Verkrampfung führen zwar oft zum Ziel, der Preis ist jedoch hoch. Ich muss viel Kraft investieren, über Leichen gehen oder brenne die Kerze meines Seins schnell herunter. Anstatt dies zu tun, kann ich versuchen, an meiner Gelassenheit zu arbeiten. Wenn die Kraftentwicklung die Differenz zwischen völliger Gelassenheit und völliger Angespanntheit ist, dann trainieren die meisten Menschen die maximale Angespanntheit, zum Beispiel im Fitnessstudio. Das Geheimnis der Lockerheit (körperlich) und Gelassenheit (geistig) ist, dass ich eines lernen muss: Loslassen. Loslassen von meinen Problemen, Loslassen von meinem Willen, alles zu kontrollieren. Wenn ich auf der Matte locker bin, dann spüre ich den Gegner, und kann ihn besser schlagen. Wenn ich gelassen bin, so kann mir nichts passieren. Ich bin offen für alles, bewerte nichts. Aber ich kann im richtigen Moment zuschlagen und einhängen – bin voll da. Meine Ressourcen sind voll, denn ich habe keine verschwendet.

Öffnen
Viele Menschen sind geistig geschlossen, sie können nichts annehmen, da sie immerzu am Senden sind, oder mit sich selbst beschäftigt sind. Wenn sich die Menschen öffnen, so können sie mit der Umgebung interagieren, sie können annehmen, sie können lernen. Geschlossene Systeme sind nicht lernfähig.

Da abholen, wo man ist – und nicht da, wo man gerne sein würde
Damit man eine gute Gelassenheit an den Tag bringen kann, lohnt es sich, sich selber da abzuholen, wo man ist – und nicht da, wo man gerne sein würde. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich ein guter Judoka bin, und ich nichts mehr lernen kann, dann werde ich wirklich nichts mehr lernen. Ich werde mir immer wieder einreden, dass der Lehrer falsch ist, oder ich einen guten Grund habe, es anders zu machen. Mit der Zeit werde ich irgendwie unausstehlich, und kann nichts mehr lernen. Ich bin – und kann nicht mehr werden. Am Besten ist es, wenn man sich bewusst wird, dass man in fast allen Kategorien keine Ahnung hat. Oder wie steht es mit Ihren Kenntnissen in frühfranzösischer Philosophie, der Quantenphysik, Ihrem Wortschatz in Suaheli und des Talents, ein Känguruh-Steak zu machen? Stimmen Sie zu, dass Sie von fast nichts eine Ahnung haben, auch wenn Sie das Gefühl haben, Universalgelehrter zu sein. Es ist eine Illusion – das Wissen auf dieser Erde ist so gross und wächst rasant, dass unser Anteil daran jeden Tag kleiner wird, obwohl wir lernen. Also müssen wir offen sein und Lernen, aber auch schlicht und einfach oft zugeben, dass wir absolut keine Ahnung haben. Das ist kein Problem an sich, es ist einfach die Realität. Wenn wir das akzeptierten, dann können wir ganz locker damit umgehen – denn es gilt für alle! Wenn man also eine Einschätzung von sich selber macht, dann sollte sie nicht zu gut sein. Und so können wir realistisch unsere Kräfte einsetzen, dort wo es nötig ist.

Nichts einreden, nichts ausreden, einfach da sein!
Wenn uns ein Mensch angeht, dann wollen wir sofort bewerten. Als nächstes überlegen wir, wie wir das Problem lösen würden und fangen an, den Leuten etwas einzureden oder auszureden. Wie oft haben wir gesagt: Ich bin für Dich da! Ich höre Dir zu! Ich habe Dich gern! Wir finden, dass dieser Weg zu ineffizient ist. Denn wenn uns doch jemand etwas fragt, müssen wir eine Lösung bringen oder? Nur selten ist das der Fall. Die meisten Menschen sollten ihre Probleme selber lösen. Unsere Aufgabe als Zuhörer ist, zuzuhören und nachzufragen. Die Waffe und die Lösung vieler Probleme ist das Nachfragen. Nachfragen hilft, das Problem zu verstehen, und hilft dem Problemhalter, den Nebel zu lüften und selber eine Lösung zu finden, wenn es denn überhaupt um eine Lösung geht! Oft geht es einem darum, Schutz zu suchen und zu finden. Hier hilft einfach da sein. Einreden und Ausreden sind Gift.

Keine ungefragten Ratschäge
Wir sind oft im Modus, den anderen Ratschlägen zu geben. Doch Ratschläge sind auch Schläge – vor allem wenn sie ungefragt sind. Wenn wir Ratschläge geben, dann liegt unser eigenes Wertesystem zugrunde. Unser Weltbild. Unsere Erfahrungen und Meinungen. Nur selten sind sie auf unser Gegenüber übertragbar. Warum sparen wir nicht ein wenig? Ungefragte Ratschläge sind Sand im System – wir können das verhindern und unsere Meinung dann kundtun, wann sie gefragt ist.

Spiel ein Spiel
Was am Meisten befreit, ist wenn man das Leben als Spiel betrachtet, in dem alle Spieler ein One-Way-Ticket und ein Leben haben. Dann können wir es nämlich viel leichter nehmen, haben mehr Mitgefühl und können uns selber helfen, in dem wir anderen helfen und für andere da sind. Nur wenige von uns können wirklich die Welt verbessern, die Welt wirklich verändern. Aber das soll nicht davon abhalten zu versuchen, die unmittelbare Umgebung zu verbessern und positiv zu beeinflussen. Wichtig zu wissen ist es – Ying und Yang – wann wir Einfluss nehmen sollen, und wann es besser ist nichts zu tun. Oft wollen wir zu viel, zeigt die Erfahrung.

Eine Geschichte zum Schluss
Es gibt einen Strand, wo jeweils zu einem Zeitpunkt tausende lebendige Fische angeschwemmt werden, und dann am Strand verenden. Irgendwo befindet sich eine alte Frau, die mit einer Schaufel die Fische ins Meer zurückschaufelt, und sie so vor dem sicheren Tod bewahrt. Es kommt ein Tourist vorbei und fragt die Frau, was sie denn da tue. Angesichts der tausenden von Fischen und dem kilometerlangen Strand spiele es doch keiner Rolle, sagt er, ob sie nun Schaufle oder nicht. Die Frau blickt auf und sagt: „Doch, für diese Fische auf meiner Schaufel spielt es eine Rolle“. Wir können die Welt nicht verbessern, doch auf den paar Quadratmetern um uns herum, können wir wirken – und sollen wirken! Für die Menschen um uns herum spielt es eine Rolle.