Erleben oder ergründen?

Viele Menschen gehen durch ihr Leben und versuchen, möglichst viel zu Erleben und zu Konsumieren. Sie halten die Stille für inhaltslos und können einen Moment der Ruhe nicht aushalten. Das Mobiltelefon immer parat um zu checken, was im Facebook, Snapchat oder auf einem Nachrichten-App so geht. Man übt sich in Zerstreuung und vergisst, sich Gedanken zu machen.

Wenn ich acht Stunden Zeit hätte um einen Baum zu fällen, würde ich sechs Stunden die Axt schleifen. (Abraham Lincoln)
Lincoln bringt etwas auf den Punkt, das in der heutigen Zeit verloren gegangen ist: Das Schleifen der Werkzeuge. Im übertragenen Sinn hacken wir mit einer stumpfen Axt in der Gegend herum und sind froh, wenn zwischendurch ein Baum irgendwo hinfällt. Unsere Welt ist doch geradezu dafür gemacht, in der Gegend herumzutoben, tausend Sachen anzufangen und nie zu einem Ende zu kommen. Doch es ist später, als wir denken! Oder wer von uns lebt schon ewig, um die sinnlos vergeudete Zeit wider mit sinnvollem Inhalt zu füllen?

Erleben oder ergründen
Wenn früher eine Reise machten, so waren wir meist Pilger. Wir schritten den Jakobsweg ab und ruhten zwischendurch und nahmen die spirituelle Kraft wahr. Wenn wir heute eine Reise tun, dann konsumieren wir. Wir reihen Top-Erlebnisse aneinander und machen uns keinerlei Gedanken darüber, was es uns bringt oder wie es uns weiterbringt. Facebook verleitet uns, Bilder zu machen und hochzuladen. Würden wir die Wirklichkeit mit Worten beschreiben, so müsste das Bild zuerst durch unseren Kopf durch und wir könnten das für uns Wesentliche ergründen. Im Louvre gehen alle Menschen die Mona-Lisa fotografieren und stellen das Bild online. Noch im Museum – sie ziehen sich in eine Ecke zurück und laden es hoch. Dabei gibt es abertausende gute Bilder von Mona Lisa. Die Frage: „Wie wirkt das Bild auf mich?“ scheint veraltet. Wir denken, wir könnten uns dann die Frage später stellen. Und dann gibt es noch andere, mindestens so geniale Bilder im Louvre. Das Museum hat sogar einen zweiten Stock, den niemand zu kennen scheint…

Reisen mit Achtsamkeit
Ich habe mir als Kind gewünscht, eine Reise nach Japan zu machen. Als Judoka wollte ich unbedingt die Quelle des Judo und deren Inspiration kennen lernen. So ging ich also nach Japan und versuchte, jeden Moment auf mich wirken zu lassen und mir die wahre Schönheit anzuschauen. Ich hatte in Tokyo und in Kyoto für einen Tag einen Guide, von dem ich mir nicht nur die Sehenswürdigkeiten habe vortragen lassen. In Tokyo regnete es am Tag mit dem Guide den ganzen Tag sintflutartig. So habe ich mit Kyoko den ganzen Tag über Kultur und das „Hintergründige“ gesprochen, währenddem der Kaiserpalast und der Shinto-Shrine im Regen zu erleben waren. Beim Reisen durch den Garten des Shrines in Tokyo hörte ich das Geräusch des Kieses unter meinen Schuhen und die Musik, die der Regen in den schönen Wald brachte. Im Shrine angekommen fand eine Teezeremonie statt und wir waren fast alleine – in der Top-Sightseeing-Destination in Tokyo! Der Guide fragt mich ein paar Mal, ob ich nicht ein Foto machen wolle. Nein. Denn auf dem Foto war die Stimmung depressiv, grau in grau, und sie widerspiegelte meine innere Ruhe und Freude in keinster Weise. Unendliche Geschichten könnte ich noch erzählen – viele Menschen glauben dann, ich wäre jahrelang in Japan unterwegs gewesen. Nein! Ich hatte einfach ganz viel Zeit, mit Achtsamkeit das Wesen und mich selber zu ergründen. Und was gibt es schöneres, als in einem Zen-Garten auf einer Steinbank zu sitzen, und zu sehen, wie der Wind die roten Blätter des Herbsts durch die Gegend trägt? Wie kann man so etwas „fotografieren“, ohne die Essenz zu verlieren? Unmöglich.

Zeit haben
Anstelle unsere Zeit mit unnötigen Zerstreuungen zu „verleben“, empfehle ich, Achtsamkeit zu zelebrieren. Mit Menschen sprechen, sie zu verstehen versuchen, und auch etwas gut sein lassen, was uns vielleicht nicht passt. Nehmen wir uns mehr Zeit, um die Axt zu schleifen. Schärfen wir unseren Verstand, damit wir das richtige Tun, das richtige Sagen und das richtige verstehen! Effektivität vor Effizienz.

Die Natur
Die Natur ist unordentlich und chaotisch – und doch perfekt. Mit dem Perfektionismus der Menschen zerstören wir die Natur. Wir zerstören Lebensräume und die Grundlage der ganzen menschlichen Rasse. Wir sollten uns darüber Gedanken machen, wie wir damit umgehen. Die Welt ist ein wunderschöner Ort und es ist meine und unsere Pflicht, dies unseren Nachkommen auch so zu überlassen! Ohne sich darüber Gedanken zu machen, werden wir nicht richtig handeln. Zeit, sich darüber klar zu werden!

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